Hagen Haas: 3 Tage bis Vollmond. Dämonen unterm Dom (Rezension)
Es ist ein typischer Freitagabend für die vier Freunde Emil, Malte, Andreas und Constantin: Wie üblich treffen sie sich an einer Kölner Brücke, um bei Bier und Hasch abzuhängen. Doch ein plötzliches Gewitter zwingt sie, sich einen Unterschlupf zu suchen. Dort finden sie eine mysteriöse schwarze Pyramide, die Emil mit nach Hause nimmt – nicht ahnend, dass er damit nicht nur den Sukkubus Demmi, sondern auch weitere Höllenbewohner sowie verschiedene Dämonenjäger auf sich und seine Freunde hetzt.
„Drei Tage bis Vollmond: Dämonen unterm Dom“ von Hagen Haas beginnt mit einem atmosphärisch dichten Prolog, indem der Leser ein mysteriöses blondes Mädchen kennenlernt. Erst später wird klar, dass es sich hierbei um den Sukkubus handelt, der sich Emil an die Fersen heftet, um an das geheimnisvolle Artefakt zu gelangen.
Leider hält die eigentliche Geschichte nicht, was der Prolog verspricht, denn was als spannendes Abenteuer beginnt, entpuppt sich als humoristische Light Fantasy. Eine komplexe Handlung fehlt, der Plot ist geradlinig und in weiten Teilen vorhersehbar. Rechte Spannung mag auch bei den rasanteren Episoden nicht aufkommen:
„Hauptwachmeisterin Katrin Schröder hatte wohl für Sekunden ihr Bewusstsein verloren. Als sie die Augen wieder aufschlug, bot sich ihr eine Szene dar, die einem düsteren Alptraum entsprungen sein musste.“
Auch sprachlich ist das Roman-Debüt des Drehbuchschreibers von „Verbotene Liebe“ eher schlicht. Oft treffen die verwendeten Wörter nicht den Kern des Beschriebenen oder der Autor beschreibt Situationen und Personen statt den Leser mit in die Handlung hineinzunehmen. Auffallend viele Füllwörter und der Versuch einer besonderen Darstellung gesprochener Sprache stören den Lesefluss.
„Malte hielt sich verstört am Geländer fest: „E…n Erdb…ben!“
Dem Humor tut dies jedoch keinen Abbruch. Haas persifliert verschiedene Aspekte klassischer Fantasy und nutzt hauptsächlich das Mittel der Situationskomik, stellt die Eigenschaften seiner Figuren überspitzt dar oder führt ihre Handlungen zu absurden Ergebnissen. Dementsprechend sind die einzelnen Charaktere eindimensional, selbst der Sukkubus Demmi bleibt in seinem Streben nach Menschlichkeit begrenzt. Dafür enthält das Dramatis Personae aber auch alle wichtigen Archetypen vom schuldgeplagten Ex-Agenten über den Kirchenmann mit geheimer Identität bis hin zum comiclesenden Jura-Studenten. Einige der Figuren, wie etwa der Advocatus Diaboli oder der indianisch-stämmige Agent, sind dabei wirklich gut getroffen.
„Immer diese Modennamen! Bald heißt jeder zweitklassige Verwaltungsdämon Beelzebub oder Luzifer.“
Leider wird die zum Genre passende Verwendung von Klischees und Stereotypen an einigen Stellen zu häufig eingesetzt, insbesondere bei der Beschreibung von Äußerlichkeiten, so dass der Autor manches Mal über sein Ziel hinausschießt:
„Als er [die Tür] öffnete, fiel er in zwei tiefe, blaue Bergseen. Erst nach Sekunden begriff er, dass es sich dabei um die schönsten Augen handelte, die er je gesehen hatte.“
Auf seiner Website schreibt Hagen Haas, dass er die erste Fassung der Geschichte bereits 2002 fertig gestellt hat. Leider merkt man dem Buch an, dass es vor gut 15 Jahren geschrieben wurde: Von Telefonzellen ist da die Rede, auch von Videotheken. Nur einer der Freunde besitzt ein Handy (von Smartphones ganz zu schweigen). Auch schleichen sich hier und da kleine bis mittlere Logikfehler in die Erzählung ein. Hier hätte dem Werk eine modernisierende Überarbeitung gut getan.
Fazit:
Den vielen positiven Bewertungen im Internet kann ich mich leider nicht anschließen. Ich muss aber auch zugeben, dass ich generell kein Freund des Genres bin und mir nach dem Lesen des Prologs eine andere Richtung vorgestellt hatte. Deshalb fiel es mir schwer, über die oben genannten Schwächen hinwegzusehen. Für Freunde humoristischer Fantasy (und alle, die Köln mal von einer anderen Seite kennenlernen wollen) dürfte „3 Tage bis Vollmond“ allerdings durchaus einigen Lesespaß bieten.
Details zum Buch
Hagen Haas: 3 Tage bis Vollmond. Dämonen unterm Dom
Feder und Schwert – kartoniert – 384 Seiten
ISBN: 3867622876
Preis: 12,95 Euro
Hinweis:
Das Buch wurde mir kostenlos vom Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank.
Hallo Tanja,
es ist zwar sehr schade, dass dir dieser Roman von Hagen Haas nicht wirklich gefallen zu scheint, doch über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
Also möchte ich dahingehend bestimmt auch keine Diskussion heraufbeschwören. Für mich kann ich sagen, dass ich mich sehr flüssig durch das Buch habe lesen können und mich dabei sehr gut unterhalten gefühlt habe.
Eine Anmerkung zu deiner Rezension aber habe ich: du merkst an, dass man dem Roman seinen frühen Zeitpunkt der Fertigstellung (2002) anmerken würde. Als Begründung führst du an, dass noch von Telefonzellen die Rede sei und nur einer der Protagonisten ein Mobiltelefon besitzt. Offenkundig ist dir bei der Lektüre entgangen, dass die Geschichte Ende der Neunziger angesiedelt ist. Somit ist dieser Kritikpunkt leider recht nichtig, ja geradezu umgekehrt proportional etwas Positives, denn offensichtlich hat Hagen Haas den Kern der dargstellten Zeit punktgenau getroffen.
Sehr sympathisch deinerseits finde ich die Aussage, dass du generell kein Freund des Genres bist. So etwas gibt nicht jeder zu.
Auch wenn die Welt nun denken mag: “wer hat eigentlich so viel Zeit, dass er so viel zu einer Rezi schreiben kann”, war es mir wichtig, einen positiven Gegenwind deiner Zusammenfassung entgegen zu setzen, denn ich für meinen Teil kann mich den vielen, von dir eher negativ empfundenen Punkten deiner Rezension nicht oder nur sehr bedingt anschließen.
Mein Tipp an die geneigte (potentielle) Leserschaft da draußen: selbst eine Meinung bilden!
Denn ich finde, es lohnt sich.
Aber das ist natürlich Geschmacksache…
Hallo Christoph,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar – ich mag es, mit meinen Lesern in Kontakt zu bleiben.
Ja, was diesen Titel angeht, stehe ich mit meiner Meinung recht allein da, die Kritiken sind ja durchaus positiv. Ich gönne es Hagen Haas!
Dass der Titel 2002 fertig gestellt wurde, schreibt der Autor selbst auf seiner Homepage:
http://www.hagenhaas.de/interview/
Ich denke, es ist wahrscheinlicher, dass er seinen Roman Ende der 90er als “Gegenwartsroman” geschrieben hat und dieses Setting unverändert übernommen wurde, als das der Zeitrahmen wissent- und willentlich als Retro-Element gewählt wurde.
Was das Bilden einer eigenen Meinung angeht: Ich hoffe doch, dass meine Leser das generell tun! Ich bemühe mich, zu erklären, warum ich ein Buch gut oder schlecht fand – dass das andere ganz anders sehen können, ist gut!