Bernhard Stäber: Kein guter Ort (Rezension)

­Bernhard Stäber: Kein guter Ort

Nach wie vor erfreuen sich skandinavische Thriller großer Beliebtheit. Auch Bernhard Stäber siedelt seine Romane um den Psychologen Arne Eriksen in Norwegen (der Wahlheimat des Autors) an, doch gelingt es dem gebürtigen Münchner, sich durch ungewöhnliche Elemente von der breiten Masse abzuheben.

Dies beginnt bereits mit der Hauptfigur, dem Psychologen Arne Eriksen, der nicht als Ermittler auftritt, sondern in seiner Funktion als Therapeut in die Geschehnisse eingebunden wird. Natürlich steht ihm ein offizieller Vertreter des Gesetzes zur Seite, in Gestalt der Polizistin Kari Bergland, die bereits in den beiden Vorgängerromanen eine Rolle gespielt hat. Die zarte Liebesbeziehung, die sich in der Vergangenheit bereits angedeutet hat, wird im aktuellen Roman ausgebaut, zum Glück ohne Melodramatik und Effekthascherei.

Das hat der Titel auch nicht nötig, denn Bernhard Stäber gelingt es, einen klaren, aber trotzdem spannenden Handlungsbogen aufzubauen. Dabei ist es kein aktueller Fall, der Arnes Interesse auf sich zieht, sondern eine zehn Jahre zurückliegende Familientragödie, bei eine junge Frau und ihr Vater auf nie geklärte Weise in einer Schlucht tödlich verunglückten. Mehr durch Zufall werden auch Kari und die Tochter ihres Vorgesetzten in den Fall verwickelt. Die Verbrechen, die Kari aufzulösen versucht, werden nicht weiter verfolgt, sie sind vielmehr nur der Stein, der die Geschehnisse ins Rollen bringt. Der Leser – zunächst auf die falsche Fährte gelockt – verwickelt sich daher genauso in die Geschehnisse wie die Figuren selbst, was in unweigerlich tiefer in das Buch hineinzieht. Leider scheinen die Vorgänge teilweise etwas konstruiert und mehr im Wunsch des Autors motiviert, seinen Plot voranzutreiben, als in den Charakteren selbst.

Sowohl der Handlungsort als auch das Personal des Romans sind begrenzt. Im Gegensatz zu anderen Krimis kommen hier nicht laufend neue Personen und damit Verdächtige ins Spiel. Umso mehr hat mich die Auflösung des Kriminalfalls überrascht. Das alte Hotel als zentraler Handlungsort sorgt für wunderschöne, atmosphärisch dichte Gruselmomente. Zusammen mit einem geheimnisvollen Schriftstück und Familiengeheimnissen ergibt sich der perfekte Stoff für einen gemütlichen Lesenachmittag.

Das im Klappentext angekündigte samische Element kam mir persönlich etwas zu kurz, dennoch kann Stäber, der unter dem Pseudoym Robin Gates mehrere Fantasy-Romane veröffentlicht hat, seine Vorliebe für das mystische nicht verstecken. Auch dies macht „Kein guter Ort“ zu einem Krimi der besonderen Art. Unkonventionell sind die Methoden jedoch allemal, mit denen die Hauptfigur sich dem Fall nähert, und der Autor beweist mehrfach den Wagemut, ungewöhnliche Techniken, wie z.B. die Bewusstseinserweiterung durch Drogen, in einem positiven Licht darzustellen.

Kleinere Logikfehler, wie etwa die wechselnde Farbe eines Kugelschreibers, lassen sich leicht verzeihen. Einzig, die Tatsache, wie weit Arne Eriksen seine Patientin in sein Leben lässt, ist schwer nachvollziehbar. Dabei ist der Roman ansonsten sehr gut recherchiert: Gerade die psychologischen Themen wie Depressionen, Borderline und Angststörungen werden sehr gut dargestellt.  Stäber scheut sich auch nicht, aktuelle Themen wie Fremdenhass und Kriegstraumata, anzusprechen.

Obwohl „Kein guter Ort“ bereits der dritte Eriksen-Titel ist, lässt er sich ohne die Kenntnis der anderen Titel gut lesen. Wichtige Begebenheiten aus der Vergangenheit werden kurz aufgegriffen, so dass sich ein lückenloses Gesamtbild ergibt.

Insgesamt ist „Kein guter Ort“ ein unkonventioneller Krimi mit angenehmen Grusel-Momenten, den ich mir gut als Fernsehverfilmung vorstellen könnte. Der Titel hätte auch sehr gut zu #AllHallowsReadGermany gepasst – eine klare Leseempfehlung für trübe Novembertage.

 

Details zum Buch
Bernhard Stäber: Kein guter Ort
beTHRILLED / Luebbe – Paperback – 448 Seiten
ISBN: 3741300438
Preis: 14,90 Euro

Hinweis:
Die Ebook-Ausgabe wurde mir kostenlos von Luebbe zur  Verfügung gestellt. Vielen Dank.

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